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Bamberger Kurzfilmtage
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Kufita-Blog 2018, 2: Soziale Auslese beim Bierkästentragen

Also, es beginnt damit, dass ich mit Tom vorm Morphclub aka. Kurzfilmclub 2018 stehe. Und ich sage, Hi, willst du da rein und er sagt; Ja, du auch? Und es ist etwa 12, aber die Tür ist zu. Tom ist die Woche über unser Tonmann und will jetzt seine Sounddinge verkabeln und anstöpseln und ausrichten und was weiß ich. Ich bin hier, um Dinge zu tragen oder so

Eigentlich hatte es geheißen, ab halb 10 würde der Aufbau beginnen. Ich sage: Ich dachte, ab halb 10 wäre jemand da. - Dachte ich nämlich auch, sagt Tom. Hatte schon ein schlechtes Gewissen, weil ich so spät dran bin, sage ich. - Hatte ich nämlich auch, sagt Tom. 

Die Situation ist die: Clubchef Paule ist irgendwo, man weiß es nicht genau, verschollen, vielleicht,über Nacht in die umgebenden Wäldern gerannt, um nie mehr gesehen zu werden. Oder auf Arbeit, kann auch sein. Clubchefin Mariya Z. ist noch im Büro und macht dort wichtige Dinge wegen der Ausstellung von Janis Rafa im Club. Jetzt kommt sie. Und hat schon so ein leichtes Panikgesicht. Dabei sind die Kurzfilmtage noch nicht mal eröffnet. 

Wenig später sind wir ein kleiner Trupp, der Putzdinge und Snacks in den Morphclub trägt wie die Heinzelmännchen. Manchmal bleibe ich stehen und glotze und versuche mich zu erinnern. Seit 2014 ist der Morphclub dicht. Damals war das der einzige Club in der Stadt, wo man hingehen konnte. Und damals war man Anfang/Mitte 20 und hat hinten im Chilloutbereich heimlich gekifft und dann sogar zu Schrammeltechno getanzt. Auf diesen Klos hab ich schon mal gekotzt und auf dieser Tanzfläche schon mal geknutscht und was das ganze noch viel schlimmer macht, ist, dass man weiß, dass das so ein kollektives Ding ist, weil sich jetzt jeder, der den Morph noch kannte, ein bisschen erinnert ans Kotzen, Kiffen und Knutschen und sich eine Woche lange ein bisschen in seiner Sentimentalität suhlen mag. Wir sind schon stolz, dass unser kleiner Festivalclub in diesem Jahr ausgerechnet hier ist.

In diesen paar Stunden am Montagmittag hat es auch etwas Archäologisches. Dieser semiheilige Ort wurde hinterlassen, wie er war. Als hätten hier vor zwei Stunden noch Menschen getanzt. Die Gläser sind noch da, die Preislisten. Auf dem Tresen liegt ein Buch mit einem einzigen Eintrag, der auf den 3. April 2014, meinen 24. Geburtstag, datiert ist: "MORITZ. Ich würde auch noch gerne etwas trinken, aber ich hab noch ein halbes Bier..." Felix findet sogar eine zurückgelassene Schallplatte. Und weil Tom mittlerweile alle Sounddinge miteinander in Einklang gebracht hat, kommt jetzt ein seltsam orientalisch angehauchter Elektrosound aus den Boxen. Im Clubscheinwerfer-Licht vergisst man, wie viel Uhr es ist. 

Soziale Auslese beginnt beim Bierkästentragen. Leo nimmt drei auf einmal. Leicht übertrieben, Leo. Paule, Daniel und ich sind ein bisschen angespornt und ein bisschen gedemütig. Wir nehmen zwei. Aber auch nur manchmal, denn das ist stark unangenehm. Die Tanzfläche des Clubs füllt sich mit gestapelten Kästen, eine Pyramide der Glückseligkeit und des Rausches. Irgendwie haben wir keine Cola, sage ich. Stimmt, sagt Paule. Cola ist relativ beliebt, sage ich. Sollten wir vielleicht noch kaufen, sagt Paule. 

Zusammen mit Felix hänge ich Molton auf. Es gibt keinen echten Plan dafür und keine guten Aufhängungen. Ein Backstage- und Ausstellungsbereich soll abgetrennt werden. Felix entwickelt schnell eine beachtliche Expertise darin, den Molton mit einer ausgefeilten Schlauftechnik in Verbindung mit viel Panzertape an die Decke zu bringen. Wir finden drei Fixpunkte und betrachten unser Werk: Schaut leider scheiße aus. Verzweifelt rufen wir nach Paule, der uns sagen muss, was wir tun sollen. Der weiß auch nicht so recht. 

Ich muss nochmal dringend heim und einen Dürüm essen und meine gute Hose anziehen, bevor die Eröffnung beginnt. Auf dem Weg treffe ich Maria S. mit der ich eine Einlassschicht in der Villa Concordia habe. Maria S. erzählt, dass Mariya Z. im Morph geblieben sei, um weiter aufzubauen. Dafür hat Maria S. eine dritte Maria dabei, die uns helfen mag. Bamberger Kurzfilmtage - Home of Marys. 

Wir sind glücklich, auch in diesem Jahr wieder hier sein zu dürfen, weil hier ist es sehr schön. Nur, ob auch für das Team Platz sein wird, drinnen, bei der Eröffnung, ist lange unklar - viele Menschen auf der Gästeliste, solche mit Rang und Namen, haben Vorrang, klar. Hausherrin Nora Gomringer begrüßt die Gäste gewohnt charmant an der Tür, Plausch hier, Plausch da, ach, Sie haben ja Ihre Haare geschnitten, Frau Gomringer, schön Sie zu sehen, gutes neues Jahr. Da kommt direkt so eine kleine vorfreudige Nervosität auf. 

Um es kurz zu machen: Im Anschluss trinke ich erstmals einen Retsina. Volker hat Retsina besorgt, weil es schließlich ein griechischer Abend ist, mit griechischer Filmkunst und Musik und dann kann man nicht nur Frankenwein ausschenken. Der Retsina schmeckt nach Meer und Moos und alle Banausen im Team, die nicht wissen, was gut ist, verziehen das Gesicht. Später erklärt Stephan, das muss so schmecken. Er selbst habe einmal in Teenagerjahren eine ganze Flasche Retsina seiner Eltern weggeschüttet, überzeugt, dieser Wein sei abgelaufen. Da haben die wahrscheinlich geschimpft. 

Wir sind dann wieder in den Club zu fahren. Eigentlich, um uns nochmal nützlich zu machen, faktisch, um nochmal zu trinken, im Teamrund, bevor morgen das Bamberger Partyvolk hier einfällt. Irene ist da, die jedes Jahr pünktlich auftaucht, seit sie nicht mehr hier wohnt, der Geist der vergangenen und vergangenen und vergangenen Festivalclubs und das freut mich. An der Bar philosophieren wir noch ein wenig über das Wesen der Kurzfilmtage und darüber, ob man es länger mit nur einem paar Socken oder einer Unterhose aushalten kann. Stephan ist überzeugt, dass diese Frage geschlechtsspezifisch unterschiedlich beantwortet würde. Und wahrscheinlich hat er Recht. 

Dann beginnt mein Augenlid ganz eklig zu zucken. Und Mariya Z. sitzt müde auf einer Bierkiste und wartet, dass wir endlich, endlich gehen und sie hinter uns zusperren kann. Es reicht ja auch, halb 2, das Festival hat eben erst begonnen.  

Andreas Thamm

Paule, Mariya Z., Clubchefs im Einsatz. 

Paule, Mariya Z., Clubchefs im Einsatz. 

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Tuesday 01.23.18
Posted by Bamberger Kurzfilmtage
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