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Bamberger Kurzfilmtage
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Kufita-Blog, 8: Alltag statt Festival. Der Abschied

Über Nacht kehrt der Alltag zurück. Nach einer Woche Festival im Wintersonnenschein bringt er Regenwolken mit sich. Die Welt ohne Bamberger Kurzfilmtage ist eine düstere. Die Realität ist voller Trump, Terror und Kohlrabi. Es regnet, aber das ist nicht schlimm, so fällt es wenigstens nicht auf, dass wir weinen, als wir am Montag den Kurzfilmclub ausräumen. Meine Hände kleben von den Proseccoresten, die aus leeren Flaschen tröpfeln, mit einem winzigen Besen kehre ich Kippenstummel zusammen. Wir stehen vor zwei Containern, einer voller Papiermüll, der andere voller Metallschrott und Mariya sagt, das sei alles so deprimierend.

Hübscher Downer zum Einstieg, gell? Es ist in diesen Momenten noch keine 48 Stunden her, dass im Odeon die Preisträger der 27. Bamberger Kurzfilmtage ausgezeichnet wurden. Mariya und Volker führen zuckersüß durch den Abend. Neben mir sitzt der Gewinner der Regionalrolle, Stefan Grosse-Grollmann. Stefan ist seinem Bruder mit der Kamera auf dem Fahrrad hinterher gefahren, vierzig Jahre ist das her. Und jetzt haben die Aufnahmen diese herrliche Retro-Ästhetik und die Schuhe von Stefans Bruder sowieso und Bamberg... Er freut sich wahnsinnig und ist stolz, aber dann muss er noch zwei Stunden lang den Bamberger Reiter aus Schokolade in seinem Glaskasten auf den Knien balancieren und das ist wahrscheinlich ziemlich ungemütlich. 

Ich muss danach schnell heim, Artikel schreiben. Auf meinem megaunbequemen Sofa liegt ein Mädchen und schläft. Ich freue mich, weil sie noch da ist und weil sie was von der Pizza übrig gelassen hat, die sie in der Zwischenzeit bestellt hat. Als ich hineinbeiße, merke ich, dass sich unter der Käseoberfläche Zwiebeln verbergen, deren säuerlicher Saft sich widerlich in meinem Mund ausbreitet. Ich spucke das schnell aus, fresse stattdessen einen Muffin, den ich eigentlich Anna schenken wollte (sorry) und mache mich an die Arbeit. 

Es ist fast eins als wir endlich im Club ankommen. Eine gute Uhrzeit, um anzukommen, weil der Einlassstopp gerade wieder aufgehoben wurde, sagt Irene. Einlassstopp ist ärgerlich für die, die eingelassen werden wollen, aber uns macht diese Notwendigkeit natürlich ein wenig stolz, weil das heißt, dass da viele sind, die eingelassen werden wollen, zu viele für unseren kleinen Club. Bitte warten Sie in der Kälte, sorry. Jetzt ist der Club brechend voll und alle tanzen und recken die Fäuste in die Luft und weil ich nach wie vor nicht so der Tänzer bin, lungere ich an der Bar und hoffe, dass einer der Barhocker endlich frei wird oder dass mich jemand sieht und aufsteht vom Barhocker: Bitte, setzen Sie sich doch, Sie haben es nötiger als ich. 

Wir haben noch immer einiges an Schnaps übrig. Abby will eine Schnaps Happy-Hour einführen, von jetzt bis zur Sperrstunde, aber es gibt kein Mikro, um die frohe Botschaft zu verkünden. Und Irene sagt zu einer kleinen Team-Schnapsrunde, dass von uns keiner gehen darf, bis alle Flaschen leer sind. Wir machen Selfies mit Stefan Lampadius, eines auf dem es aussieht, als würde sein Kopf aus meinem Kopf herauswachsen. Dann erzählt er mir Ostfriesenwitze, die ich leider alle vergessen habe. Als ich ihm im Gegenzug einen geschmacklosen Witz erzähle, weil ich keine anderen kenne, lacht er zum Glück.

Die Musik wummert, der Club leert sich, ich will eigentlich niemals nach Hause, bis ein Depp einem anderen Depp eine Flasche Bier über den Kopf leert und der zweite Depp dann schreit, er werde den ersten wegen Körperverletzung anzeigen. So ist das, wenn die Leute mal länger als Sperrstunde bleiben dürfen. Abby geht dazwischen und schreit, sie könne auch mal andere Seiten aufziehen, eine Performance, die alle sehr beeindruckend finden. Aber beide Arschlöcher sind hartnäckige und wollen lieber noch weiter bei uns rumstehen und streiten, obwohl das für alle ein Ärgernis ist. Muss das noch sein, so kurz vor Schluss, nachdem doch alles immer so friedlich war und nicht mal die Polizei aufgetaucht ist, eine Woche lang? Anscheinend muss es. Es ist halb sechs als wir uns auf den Weg nach Hause machen und sieben als Abby sich auf den Weg nach Hause macht, im Licht der aufgehenden Sonne.

Ausschlafen, den Brunch verschlafen, leicht nervös, weil ich jetzt, Sonntag, noch eine Einlassschicht habe und das zum ersten Mal mache und irgendwas muss man mit dem Handy einscannen, glaube ich gehört zu haben, und irgendjemand muss auch den Ton einstellen und ich bin doch so müde jetzt. Unfassbare Versagensängste. Ludwig, der wohl schon vor Ort ist, schreibt in die Whatsapp-Gruppe, ob ihm jemand die Kasse erklären könne. So schaut das aus, wenn sich am letzten Tag doch auch noch das PR-Team nützlich machen will. Katastrophe. Einlass ist zum Glück easy. Ein Mann mogelt sich rein, weil drinnen irgendwo seine Frau sein muss, mit dem Ticket. Dann kommt er wieder raus und sagt, er habe sie nicht gefunden. Bestimmt sei sie noch draußen irgendwo. Er kommt wieder, ohne Frau, aber mit Ticket. Wir schließen die Tür, ich regle den Ton. Wir sehen die Spezial-Rolle zum Thema Behinderung und bei den etwas kitschigeren Stellen bekomme ich feuchte Augen, weil ich so wenig geschlafen habe und dann ein bisschen dünnhäutig bin. 

Und dann ist es vorbei. Ich schwänze Wolfgangs Horror-Rolle am Abend. Und auch den Rest, esse stattdessen Ente vom Asia-Imbiss und glotze alte Stromberg-Folgen. Im Club haben bereits die Aufräumarbeiten begonnen, die wir am Montag beenden werden. Die Kinos bleiben Kinos, aber der Schlachthof ist schon kein Club mehr (und auch kein Schlachthof). 

Und was waren das dann für Kurzfilmtage 2017? Die besten aller Zeiten? Bestimmt. Es ist beeindruckend, das habe ich an anderer Stelle schon geschrieben, wie das dann immer alles über die Bühne geht, obwohl man Tage zuvor noch das Gefühl hat: Es gibt nicht genug Helfer, niemand hat Zeit, die Filme laufen nicht, der Club ist nicht fertig... Natürlich stecken oft Einzelne dahinter, die ihr Ding an sich reißen und, weil sie wissen, dass es einer ja machen muss, die eine Aufgabe schultern und einfach durchziehen. Aber andererseits ist da immer ein Team, mal mehr, mal weniger und wenn jemand kurz tanzen oder kotzen oder sich ausschlafen muss, nicht weiß, wie die Kasse funktioniert oder wie man einen Anwohner am besten besänftigt, dann findet man sicherlich den Boy oder das Girl, der oder die das kann oder zumindest gerne mal probieren will. Und das ist schön.

Und als so ein ganz kleines Licht in dem Kurzfilmzirkus darf ich das vielleicht sagen: Es ist schon ganz schön gut, was in Bamberg alles einfach so von Ehrenamtlichen auf die Beine gestellt wird. Einfach so. Und dann auch noch mit Regelmäßigkeit und nur, weil das Jahr besser ist mit Kurzfilmtagen (und mit Kontaktfestival, Alter Seilerei, etc., etc.) als ohne. So viele Menschen, die eigentlich immer wieder beweisen, dass diese Stadt so viel besser ist als so viele andere Menschen, die meckern, ständig meinen. Es lohnt sich auf jeden Fall, hoffentlich für die Kurzfilmkasse, sicherlich aber fürs Feeling. Auch wenn man danach, am Montag, natürlich noch ein wenig betrübt ist, wenn man so vor den Papier- und Schrottcontainern steht.

(Andreas Thamm)

Guido Apel

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Jürgen Schabel

Jürgen Schabel

Tuesday 01.31.17
Posted by Bamberger Kurzfilmtage
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